Das Grab des Königs Tanutamen KU 16
 

Tanutamen war der letzte Herrscher der 25. Dynastie, der nach dem Tod des König Taharqa dessen Nachfolge (664-656 v. Chr.) angetreten hat. Er wurde als (wahrscheinlich) Neffe von Taharqa als sein Nachfolger eingesetzt und es wird davon ausgegangen, daß er bereits für kurze Zeit Mitregent war. Seine Krönung fand in Napata statt.

Seine Abstammung ist nicht bekannt. K. A. Kitchen betrachtet ihn als Sohn des Schebitku, nach kuschitischen Quellen wird er als Sohn der Qalheta (vermutlich Gemahlin des Schebitku) angesehen. Es gibt keinen Beleg, daß er der Sohn von Schebitku war. Im Gegenteil, in assyrischen Texten wird er als "Sohn des Achabak" aufgeführt, ebenso wird er als Sohn des Schabaka auf dem assyrischen Feldzugbericht des Ramassam-Zylinders1  erwähnt.
Diese einzelnen Erwähnungen reichen nicht aus, um die Abstammung exakt zu bestimmen.
Seine Gemahlinnen sind Pijearti und vielleicht Malaqaje.

Ein bedeutendes Dokument seiner politischen Ziele,  Ägypten zurück zu erobern und vom assyrischen Joch zu befreien, ist die Traumstele vom Gebel Barkal.
Nach ägyptischen Vorbild des Neuen Reiches berichtet er auf dieser Stele, wie die Götter zu ihm gekommen seien, um ihm ihren Wunsch kund zu geben, er möge Ägypten retten und wieder Herrscher von ganz Ägypten werden:

Im Jahr 1, nachdem er als König erschien, ... sah Seine Majestät in einem Traum der Nacht zwei Schlangen,
eine an seiner rechten Seite, die andere an seiner linken.
Seine Majestät erwachte, aber er fand sie nicht. Da sagte Seine Majestät: «Warum denn kamen sie zu mir?»
Da antworteten sie ihm und sprachen: «Dir gehört das Südland, packe dir das Nordland!
Die >Beiden Herrinnen< scheinen auf deiner Stirn, denn das Land ist dir gegeben in seiner Länge und in seiner Breite, und kein anderer soll mit dir teilen!»
Zitat aus Hermann A. Schlögel; Das Alte Ägypten. München 2006.

Entschlossen, diese Eingebung im Traum zu verwirklichen, widmete sich Tanutamen mit voller Energie seiner Aufgabe. Mit seinen Soldaten drang er über Theben bis nach Memphis vor, ohne zu berücksichtigen, daß eine Koalition von Deltafürsten, die auf assyrischer Seite standen, gänzlich aufgerieben wurde. Bei diesen Kämpfen kam auch König Necho ums Leben, der sich mit den Assyrern verbündet hatte.
Als Assurbanipal 633 v. Chr. seine Truppen zum Gegenangriff schickte, verließ Tanutamen das Glück. Er mußte nach Süden fliehen. Die assyrischen Truppen besetzten Theben, plünderten die Stadt, zerstörten sie aber nicht.
Damit endete die kuschitische Herrschaft in Ägypten für immer.
Bauliche Tätigkeiten während seiner Regierungszeit sind sehr gering. Von Bauprojekten in Napata (am Ort nicht nachgewiesen, lediglich Statuen) erfahren wir aus der Traumstele, während er neben Taharqa in der Kapelle des Osiris-Ptah-Nebaanch in Karnak erscheint; ebenso auf Blöcken in Karnak, Nennung auf Privatstatuetten und Plaquette.
Weitere Belege stammen aus Nubien (Statue von Tombos ?, Kopf von einer Amunstatue aus Sanam) und vor allem aus seinem Grab in El Kurru (Uschetis, Kanopenkopf, Malerei, Opfertafeln, Herzskarabäus).


Skizze von der Webseite: www.osirisnet.net

Das Pyramidengrab des Tanutamen weist die üblichen Strukturen seit der Zeit des Pianchi mit 2 Kammern auf.
Einer Vorkammer und einer Grabkammer die hintereinander liegen.
Der Zugang erfolgt über eine steile Treppe in die Tiefe.
Von dem Pyramidenoberbau ist heute nichts mehr zu sehen. Er war wahrscheinlich aus Sandstein errichtet.
Reste von diesen Sandsteinblöcken wurden in der Südwand gefunden.
Vor dem Pyramidengrab gab es wahrscheinlich auch eine Kapelle in Ost-West-Richtung gelegen, die an die Pyramide angebaut war.
Hiervon hat man Sandsteinblöcke von der Nordwand gefunden.

Weil die Gräber nach oben offen waren, hat man über diese einen neuzeitlichen Überbau zum Schutz vor Regen und Witterungseinflüssen errichtet.

(siehe Foto oben).

 

Die Wände der Gräber wurden geweißt und die Dekoration mit einem flachen Farbauftrag angebracht. Die Dekoration der Wände im Grab des Tanutamen wurden nicht vollendet, möglich, daß der Grabherr früher als erwartet gestorben ist. 
So sind noch die roten Vorzeichnungslinien der Künstler zu sehen und einige Zeichnungen und Hieroglyphen nur als Umrisse und Skizzen.
Bestimmte Farben haben die Zeit nicht überstanden, weshalb in zahlreichen Abbildungen die Farben schwarz und blau nicht mehr erkennbar sind.
Dies ist besonders deutlich zu sehen bei der Haarfarbe bzw. Kopfbedeckung von Göttern, die ursprünglich die blaue Farbe von Lapislazuli hatten und jetzt weiß wirken.
Die schwarzen Augen sind besonders schlecht erhalten. 
Im Vergleich zu den thebanischen Darstellungen der vergangenen Jahrhunderte ist die Qualität der Abbildungen eher durchschnittlich, sie wirken größtenteils eher steif und weisen vereinzelt technische Mängel auf.

Die Vorkammer ist ein kleiner Raum mit leicht gewölbter Decke und mit 5-spitzigen gelben Sternen auf blauem Hintergrund (der heute weiß ist) dekoriert. 
Symbolisch wird hiermit der Nachthimmel dargestellt.
An der Nord- und Südwand bildet ein Fries mit hieroglyphischer Inschrift den oberen Abschluß. Inhaltlich wird in dieser Inschrift der Weg in die Unterwelt erwähnt.
Im Hauptregister an der Nord- und Südwand sind die vier Horussöhne mit menschlichem Kopf abgebildet, die den Verstorben ins Jenseits begleiten.

An der Nordwand sieht man zwei der Horussöhne.
Links Duamutef, in der Mitte der Verstorbene Tanutamen und rechts Hapy.
 

An der Südwand sind die anderen beiden Horussöhne zu sehen.
Links Qebehsenuef, in der Mitte Tanutamen und rechts Amset.
 

An der Westwand führt ein bogenförmiger Durchgang in die Grabkammer.
Auf beiden Seiten sind die beiden Schwestern Isis und Nephthys abgebildet.
Ihre Anwesenheit verspricht dem Verstorbenen über ihn zu wachen und Osiris bei der Wiederbelebung des toten Körpers durch ihre Anwesenheit zu unterstützen.
Sie tragen Stoffstreifen in den Händen, was eine Anspielung zur Mumifizierung bedeutet.

Links vom Durchgang ist Isis zu sehen mit der Hieroglyphe ihres Namens auf dem Kopf, welche nur in Umrissen vollendet wurde.
In dem fünfspaltigen Text ist zu lesen:
"Words uttered by Isis : 'Oh Osiris, king, Tanutamen (in a cartouche) , justified;
he passed the courthouse of Osiris; she brings him (not only the strips but also) the protection. ... ...'. "
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Rechts vom Durchgang steht Nephthys ebenso mit ihrer Namenshieroglyphe auf dem Kopf.
Der Text über ihrem Kopf ist ähnlich.

Die Decke der Grabkammer weist eine abgeflachte Bogenform auf und ist mit goldenen fünfzackigen Sternen auf blauem Hintergrund dekoriert.
Hier erkennt man noch stellenweise die ehemals dunkle blaue Farbe, auch wenn sie inzwischen verblasst ist.
Alle Wände sind mit Ikonographie von Vignetten aus den Kapiteln 27, 28 und 30  aus dem Totenbuch dekoriert.

Betritt man die Grabkammer, fällt zuerst der Blick auf die Westwand, den hinteren Teil der Kammer.
Diese Wand ist in drei Register aufgeteilt.
Das linke obere gewölbte Register zeigt die Sonnenbarke in der Mitte. Auf beiden Seiten wird diese von jeweils zwei anbetenden Affen (insgesamt vier) begleitet, denen auf jeder Seite ein Schakal folgt.
Affen sind morgens die ersten Tiere, die nach einer langen Nacht erwachen und mit ihren Rufen jubelnd jeden Morgen die Wiederauferstehung der Sonne am Himmel begrüßen.
Auf dem linken mittleren Register ist der Verstorbene kniend im Anbetungsgestus zu sehen. Vor ihm auf einer symbolischen Standarte (eine Art Fetischsymbol) sitzt sein Herz (ib) was seine Persönlichkeit, das Ich des Verstorbenen, darstellt. Dahinter ist der BA-Vogel  mit einem Djet Symbol abgebildet, dies symbolisiert die sogenannte Seele, die in der Lage ist den Körper zu verlassen und an den Ort der Bestattung zurück zu kehren, um sich wieder mit der Mumie zu vereinigen.
Den Abschluß dieser Szenenbilder ist eine im Text namentlich nicht erwähnte Person aus dem Jenseits mit einem Ankh (Zeichen des Lebens) und einem was-Zepter (Der Träger mit diesem Zepter symbolisiert hiermit sowohl seine Macht als auch seine Bereitschaft Feinde zu bezwingen) in der Hand.
Diese Person ist oft auf der Sonnenbarke dargestellt. Sie verkörpert dort wahrscheinlich die Personifikation der Rede; Sai - Verständnis, Heka - Magie, Hu - Verkörperung des Begriffes "Ausspruch, Befehl".
 
Auf dem rechten mittleren Register sind die Darstellungen zum Teil schlecht erkennbar. Die Darstellungen beziehen sich auf Kapitel 27 des Totenbuches, das Sprüche vom Herzen des Toten enthält, das mit dem Verstorbenen im Einklang sein muß. Ein Auszug davon:
"Oh you who take away the hearts, you who steal the viscera of the heart, you who make appear in the man's heart that which he did, even while he doesn't recognise himself due to what you did, greetings to you, masters of eternity, promoters of everlastingness! Do not remove from me this heart which is mine! Do not criticise this internal organ of my heart ! …"   
Links ist der BA-Vogel sitzend auf der Grabkammer(?) zu sehen, der von den Strahlen der im Umriss dargestellten Sonnenscheibe teilweise überdeckt wird.
In der Sonnenscheibe könnte ein Teil eines Gesichtes oder Ankh - Zeichen zu sehen sein.
In der Mitte ist das Herz auf einer Standarte in gleicher Form wie auf dem linken Bildfeld dargestellt.
Rechts steht der verstorbene König mit der königlichen Kopfbedeckung, dem nemes - Kopftuch das Haupt bedeckt und trägt das königliche Ornat. In den Händen hält er das Ankh -Zeichen und das was-Zepter.

Die Seitenwände sind mit Sprüchen aus dem Totenbuch und Texten, die das Begräbnisritual betreffen, versehen. Schutzgötter sowie  beschützende Genien aus dem Jenseits begleiten und beobachten diese Zeremonie.

Die linken und rechten Seiten des Durchganges zeigen die vier Horussöhne, deren Köpfe jeweils auf Standarten dargestellt sind.
Es sind Amseti mit einem menschlichen Kopf, Hapi mit dem Kopf eines Pavian, Qebehsenuef mit dem Kopf eines Falken und Duamutaef mit dem Kopf eines Hundes. Alle tragen Perücken und schauen zum Durchgang der Grabkammer.

 

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1 Der Rassam Zylinder besteht aus Ton und ist ein  Zehn-Seiten-Zylinder in Keilschrift verfasst mit den Annalen des Assurbanipal. Er stellt die umfassendste Aufzeichnung der Assurbanipal - Annalen dar und beschreibt neun Kampagnen gegen verschiedene Feinde, seine Wiedererrichtung des "Bit ridûti 'Sanheribs und sein Ersatz durch ein neues Gebäude mit einer Säulenhalle (" Bit Hilani').
("Bit ridûti =
Palast der Nachfolge)
2 Text wörtlich übernommen von www.Osisisnet.net