Amun-Tempel Tabo (Tebo)  auf der Nilinsel Argo
 

Argo ist eine größere Insel im Nil südlich vom 3. Nil-Katarakt, ebenso südlich von Kerma und nördlich von Dongula. Auf dieser Insel liegt das Dorf Tabo und unweit davon ein Sandsteintempel, der dem Gott Amun geweiht ist. Um eine Verwechslung mit der etwa 20 km entfernt liegenden Stadt Argo zu vermeiden, wurde der Tempel in neuerer Zeit nach dem Dorf Tabo benannt.
Vor dem ersten Pylon auf beiden Seiten des Eingangs zum Tempel lagen auf jeder Seite auf dem Rücken liegend je ein Granitkoloss. Es sind mit ihren 7 Meter Höhe und fast 30 Tonnen Gewicht die bis jetzt größten Statuen, die jemals im Sudan gefunden wurden. Bekannt sind diese bereits aus Berichten von Reisenden Anfang des 19. Jahrhunderts, die sie beschrieben und Zeichnungen davon gemacht haben. Lepsius berichtete bereits im Jahr 1844 von diesen Kolossen.
Es wird vermutet, daß diese Kolosse niemals aufgerichtet wurden und rund zwei Jahrtausende dort gelegen haben. Begründet wird diese Vermutung damit, ein Herabstürzen aus vertikaler Position vor dem Pylon hätte unweigerlich zu einer anderen Position der Lage führen müssen. Durchgeführte Grabungen durch Bonnet ergaben, daß an dieser Stelle keine Fundamente eines älteren Tempels mit einem Pylon gefunden wurde, der so ausgerichtet war, daß, wenn die Kolosse davor gestanden hätten, in diese Position umgefallen sein könnten.
Die ebenfalls noch unfertig und unbearbeitet gelassene Rückenleiste der Kolosse, welche normalerweise immer mit Inschriften und dem Namen der abgebildeten Person versehen wurde, spricht auch dafür, daß diese im Altertum nie aufgerichtet wurden.
Der liegende Koloss vor dem nördlichen Pylon war in Brusthöhe zerbrochen aufgefunden worden. Die Frage stellt sich, wurde vor vielleicht zweitausend Jahren versucht diesen Koloss aufzustellen oder erfolgte der Bruch beim Transport auf der letzten Etappe? In der Bruchstelle befinden sich Anzeichen von Spuren von Dübellöcher, was darauf hinweisen könnte, man hatte versucht die Teile wieder miteinander zu verbinden. Warum diese Arbeit nicht ausgeführt wurde ist nicht bekannt. Möglich, das andere wichtige Aufgaben im Reich von Meroe zum Abbruch der Arbeiten führte. 
Weil die Kolosse keine Inschriften tragen, ist nicht bekannt wen sie darstellen. Nach dem Stil, den Details der Kleidung und des Schmuckes, schließt man, daß es ein Abbild des Königs Natakamani sein könnte. Natakamani war ein bedeutender Herrscher von Meroe, der um 50 n. Chr. regierte. Er ist durch seine enorme Bautätigkeiten sowie einer großen Anzahl verschiedener Baudenkmäler belegt. Obwohl es viele Monumente mit seinem Namen gibt, ist wenig gesichertes zu seiner Person und Regierungszeit bekannt.
Eine andere Möglichkeit, wen diese Statuen darstellen, wird in den letzten Jahren unterschiedlich diskutiert. So könnten es sich auch um Abbilder von Götter handeln.

Bis 1972 lagen die Kolosse an ihrem ursprünglichen Platz, bis sie im Rahmen der Kampagne zur Rettung nubischer Denkmäler durch die Altertümerverwaltung der sudanesischen Regierung mit Unterstützung durch Friedrich W. Hinkel, im Garten vor dem Museumsgebäude des Nationalmuseums von Khartoum aufgestellt wurden (siehe Fotos unten).

Beide Kolosse

Linker Koloss

Rechter Koloss

Nach heutigen Erkenntnissen wird davon ausgegangen, daß die Insel Argo das antike Pnubs gewesen sein könnte, der dortige Tempel dem Amun von Pnubs geweiht ist und dieser zu den bedeutendsten Tempel dieser Zeit gehörte.
Von Inschriften auf Stelen, in Tempeln usw. ist bekannt, daß die kuschitischen Könige Aman-nete-yerike im 5. Jahrhundert v. Chr., Harsiotef und Natasen im 4. Jahrhundert auf ihren Krönungsreisen drei große Zentren der Amunverehrung besuchten. Zwei Zentren waren Napata (Gebel Barkal) und Gematon (Kawa). Ebenso wird der Tempel von Pnubs genannt, der in den Inschriften der als am weitesten nördlich liegende beschrieben wird. 

Die Krönungsreisen wurden mit dem Schiff auf dem Nil unternommen. Auf der Stele des König Aman-nete-yerike ist zu lesen, daß die Reise mit dem Schiff an einem Tag erfolgte  und Pnubs nördlich von Kawa zwischen Dongula und Tumbos an der Grenze des dritten Nil-Katarakt gelegen hat. Funde und daraus erworbene Rückschlüsse während Ausgrabungen in Kawa durch Macadam bestätigen diese These, welche weitgehend von anderen Archäologen geteilt wird. Durch mangelnde Belege und Inschriften kann diese Theorie nicht endgültig belegt werden.

Während drei Grabungskampagnen seit 1965 wurde die beträchtliche Größe des Tempels ersichtlich. Durch diese Grabungen erhoffte man auch Erkenntnisse der Identität des Ortes zu erlangen. Auf Grund des fragmentarischen Zustandes der Inschriften waren leider keine sicheren Anhaltspunkte zu finden.
Aus diesem Grund konzentrierte man sich auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zu den anderen Tempeln im Sudan, um im zeitlichen Vergleich eine Identifizierung vom Tempel Tago mit dem alten Pnubs vornehmen zu können.

Der archäologische Ort Tabo liegt etwa in der Mitte der Insel Argo. Hierbei scheint es sich um eine große Siedlung aus der 18. Dynastie zu handeln, auch wenn der ausgegrabene Tempel mehr an Taharqas Tätigkeiten in Sanam und Kawa erinnert. Sicher ist, diese Stadt erlebte unter dem Meroiten Natakamani  eine Renaissance, wofür auch die Kolosse, die vor dem Pylon des Taharqa Tempels standen, sprechen.

Rechts die Skizze zeigt den Grundriß des Tempels des Taharqa.


Jacquet-Gordon et al Pnubs and the Temple of Tabo on Argo Island
JEA 55, 1969

Der Tempel des Taharqa liegt am nördlichen Teil des alten Ortes und ist in seiner ursprünglichen Lage, soweit dies festzustellen ist, nach Osten in einer Ost-West-Achse ausgerichtet. Der Zugang erfolgt durch einen 1. Pylon auf der Westseite. Von dort gelangt man in ein Peristyl (ein von Säulen umgebenen Innenhof). Danach folgt der 2. Pylon, der zu einer Säulenhalle führt. Durchschreitet man den 2. Pylon, folgt eine Vorhalle,  von der man ins offne Heiligtum (Sanktuar) gelangt. Auf beiden Seiten befinden sich seitliche Kammern. Die Tempel von Taharqa in Sanam und Kawa zeigen einen ähnlichen Grundriß.
Die Gesamtlänge des Tempel mißt 75 bis 60 m und die breiteste Breite 31 m. Die Wände der Pylone haben eine Breite zwischen 35 m bis 50 m. Die Abmessungen zeigen auf Grund der Größe, daß dieser Tempel ein bedeutender heiliger Ort im heutigen Sudan gewesen sein muß. Das gesamte Gebäude befindet sich in einem ziemlich ruinösen Zustand. Die Wände und Säulen sind fast nur im Fundament bzw. in Ansätzen erhalten.
Zur Zerstörung des Tempels können verschiedene Gründe beigetragen haben. So gibt es auf der Insel und im weiteren Umkreis so gut wie keine Steine, so daß die Bewohner Reste des Tempels als Steinbruch und zum Bau ihrer Häuser benutzten. Verschiedene Blöcke des Tempels sind heute noch verbaut in den Häusern der umliegenden Dörfer zu finden. Eine weitere Ursache ist die Verwitterung der Steine durch Wind, Sand, Regen und schwankende Temperaturen, es wurde ebenso Sandstein von minderer Qualität benutzt.

Der erste Pylon zeigt die übliche Bauweise, es sind allerdings keine Nischen für Flaggen und Innentreppen zu erkennen.
Grabungen in einiger Entfernung parallel zum ersten Pylon ergaben keine Hinweise von einer Umfassungsmauer um den Tempel.

Vor dem Haupteingang wurden Reste steinerner Fußbodenplatten gefunden. In diese Platten waren zahlreiche Graffiti von Füßen geritzt. Die Türschwelle bestand aus einem 4 m langen Granitblock. In den steinernen Türsockeln ist eine Vertiefung zu sehen, die Rückschlüsse ziehen lassen, daß hier große schwenkbare Doppeltüren vorhanden waren.
Das Peristyl ist rechteckig mit 6 Säulen auf allen vier Seiten, wobei die Ecksäulen doppelt gezählt werden. Spuren von Fußbodenplatten, außer einer dünnen Kiesschicht, waren nicht zu finden. Diese Kiesschicht könnte früher Grundlage eines Pflasters gewesen sein.
In der Mitte des ersten Hofes stand wohl ein Altar oder eine Barkenstation.

Die Abmessungen des zweiten Pylon sind auf Grund seines Erhaltungszustandes schlecht zu vermessen. Beide Pylone waren mit wiederverwendeten Steinblöcken aus der 18. Dynastie verfüllt. Am zweiten Pylon befand sich ebenfalls eine Doppeltür. Reste von schweren bronzenen Türscharnieren von einer Flügeltür wurden in der Nähe gefunden.
Reliefs sind auf beiden Seiten des zweiten Pylon nicht mehr zu sehen. Es sind aber noch runde Löcher in einer Steinlage zu sehen, die davon zeugen, daß dort Gerüste angebracht waren um Reliefs anzubringen. Heruntergefallene Blöcke von der oberen Westwand zeigen Reste von flachen Reliefs. Ein Fragment zeigt den oberen Teil eines königlichen Kopfes mit einem horizontalen Widdergehörn zu einer Kopfbedeckung gehörend, welches nicht mehr erhalten ist. Diese Darstellung deutet auf Könige der 25. Dynastie und ihre Nachfolger hin.
Der Boden der Säulenhalle war gepflastert, wobei der mittlere Teil entlang der Mittelachse teilweise in späterer Zeit restauriert und sorgfältiger verlegt wurde und so besser erhalten als die übrigen Bereiche ist. Zum Teil ist der Bodenbelag von einem Feuer beschädigt, das wohl in christlicher Zeit erfolgte.

Überreste von verbrannten Palmblätter und Stroh zwischen den Säulen an der Südseite und in der Tür des zweiten Pylon lassen vermuten, daß zu unbekannter Zeit sich ein Dach aus diesem Material und aus Holz hier befand.

Der hintere Teil des Tempels wurde in meroitischer Zeit umgebaut, so ist es schwer zu erkennen wie einst die ursprüngliche Anordnung der Räume war. Wahrscheinlich waren diese Räume ähnlich wie in den Tempeln von Sanam und Kawa angeordnet. Auffallend ist, während der nördliche Raum in Sanam und Kawa einen Altar mit Treppe enthielt, ist diese hier nicht zu finden. Dieser Raum zeigt allerdings einen Höhenunterschied der Decke von ca. 30 cm. So stellt sich die Frage, daß dies eine Art Rampe darstellen könnte und so die Treppe in den anderen Tempeln ersetzen soll.

Das Heiligtum ist in einem sehr schlechtem Zustand, so daß Vergleiche kaum möglich sind. Der Pflasterbelag der Böden ist relativ gut erhalten, die Wände allerdings bis auf die Grundmauern zerstört.
Ein Nebenraum südlich vom Sanktuar enthielt zwei Säulen. Auf einer sekundär verwendeten Säulentrommel ist die Kartusche von Ramses II. zu sehen. Diese Säulentrommel zusammen mit dem als Füllmaterial verwendeten Blöcken deutet auf ein Gebäude aus dem Neuen Reich hin. Da der Name "Amun" auf einigen der Spoilen in restaurierter Form vorliegt, kann daraus abgeleitet werden, daß hier ein aus der Amarnazeit beschädigter Tempel aus der 18. Dynastie in ramessidischer Zeit wiederhergestellt worden ist und zwar unter Ramses II..

 Alle Kammern sind bisher noch nicht detailliert untersucht worden.

In der Zusammenfassung und Auswertung der Funde und Fundlage erkennt H. Jacquet-Gordon, das dieser Tempel im wesentlichen Punkten den beiden Tempeln von Sanam und Kawa gleicht und davon auszugehen ist, daß der Tempel von Tabo der antike Tempel von Pnubs sein könnte.

Zu dieser Annahme führten folgende Überlegungen:

Die Lage von Pnubs ist aus Inschriften und Darstellungen in Reliefs bekannt, der Ort lag nördlich von Kawa am Ostufer des Nils südlich vom 3. Nilkatarakt und konnte per Schiff an einem Tag erreichbar sein. Es gab diesen Ort bereits weit vor der 25. Dynastie und die anderen kuschitischen Amuntempel lagen nicht zu weit entfernt. Amun wurde dort widderköpfig gezeigt oder in Form einer Criosphinx. Osiris wurde ebenfalls in den Tempeln verehrt.

Zu diesem Bezug passen die topographischen Bedingungen auf Tabo. Tabo liegt zwar auf einer Insel und so auf der Ostseite vom Festland getrennt, das allerdings nur zu Zeiten der Überschwemmung. Sobald die Überflutung zurückgegangen ist, trocknet der Kanal auf der Ostseite der Insel aus und nur die Westseite bleibt ein fahrbares Gewässer. So liegt der Ort die größte Zeit des Jahres an der Ostseite des Nils.

Ebenso ist überliefert, daß Pnubs bereits ein etabliertes Zentrum zu Beginn der 25. Dynastie war.
Auch das läßt sich für Tabo belegen durch Funde in diesem Tempel von älteren Blöcken eines Gebäudes, auf denen Kartuschen von Thutmosis III., Amenophis II. und Amenophis III. zu erkennen waren. Bereits vor der 18. Dynastie gab es diesen antiken Ort, was ein Fund einer Statue von Sebekhotep IV. aus der 13. Dynastie belegt, die in einer Aufschüttung im Tempel gefunden wurde. Allerdings könnte diese Statue zu späterer Zeit dort hingebracht sein worden.

Scherbenkeramik aus der Kerma-Zeit die gefunden wurde, können in den Zeitraum der 18. Dynastie datiert werden.
Wie bereits erwähnt, deuten Funde mit der Kartusche von Ramses II. darauf hin, daß er den Tempel aus der 18. Dynastie erneuert und Blöcke aus dieser Zeit wiederverwendet hatte.

So belegen noch mehrere Einzelfunde die Existenz eines Tempels aus früherer Zeit.
Anhand dieser Funde ist es fast sicher, daß dies der antike Ort "Pnubs" sein kann.

     
zurück zur Übersichtsseite Nubien

Literatur zu Tabo