Die Pyramiden von Nuri
 

Im Sudan etablierte sich während der langen Herrschaft des Königs Psammetich I. eine neue Monarchie, die sogenannte napatanische Dynastie. Von den Anfängen dieser Dynastie ist wenig bekannt. Der amerikanische Ägyptologe George Andrew Reisner schätzte die Daten der Regierungszeiten jedes Herrschers nach dem Umfang und dem Reichtum der Grabstätten, was jedoch größtenteils auf Vermutungen basiert.
Kurz nach dem Psammetich I. seine Macht über Theben gefestigt hatte, um das 12. Regierungsjahr herum, folgte auf Tanutamen als Nachfolger Atlanersa, der Sohn von Taharqa und der Königin [...]salka.
Auch wenn ab Tanutamen die Könige nicht mehr am ägyptischen Thron beteiligt waren, erhielten diese weiterhin eine Titulatur aus fünf Namen nach altem ägyptischen Vorbild, wobei nur der Geburtsname kuschitisch ist. Bis ins erste Jahrhundert n. Chr. blieb dieses Prinzip erhalten. Ebenso war die offizielle Schrift der ägyptischen Hieroglyphen noch mehrere Jahrhunderte in Gebrauch. Die Könige wurden auch weiter nach einer stereotypen Terminologie "Herr der Beiden Länder" und "König von Ober- und Unterägypten"  genannt, niemals von ihren eigenen Territorien abhängend bezeichnet. Den Doppeluräus, ein königliches Insignien der ägyptischen Könige, setzten sie weiterhin auf.
Möglich, das die napatanischen Herrscher hiermit weiter ihren Anspruch auf den ägyptischen Thron, den sie nicht mehr besaßen, mit dieser Titulatur an ihre weitreichende Macht vom Königreich Kusch zum Ausdruck bringen wollten.
Zehn Jahre könnte Atlanersa regiert haben, die er nachweislich in Napata verbracht hat. Er ließ einen Amuntempel errichten sowie verschiedene Monumente wie den Altar, auf dem man das gesamte Protokoll lesen kann. Auf dem großen Pylon des Tempels befindet sich die Darstellung von Amun von Pnubs. Das belegt, daß dieses Heiligtum große Bedeutung für diese Epoche hatte.
Atlanersa ist in Nuri begraben. Teile seiner Grabbeigaben halfen seine Pyramide zu identifizieren.

Nuri ist ein modernes sudanesisches Dorf, der alte Namen dieses Ortes ist nicht bekannt. Es liegt knapp 10 km stromaufwärts auf der gegenüberliegenden Seite vom Gebel Barkal. Die königliche Nekropole von Kusch befand sich drei Jahrhunderte nach dem Ende der 25. Dynastie auf dieser Nilseite. Hier wurden auch die Gräber der Könige angelegt.
Taharqa (690-664 v. Chr.) war der erste König, der sein Grab mit einer Grabpyramide in Nuri angelegt hat. 

Das Pyramidenfeld von Nuri enthielt die Grabstätten von 21 Königen sowie 52 (53) Königinnen und Prinzen. Die Fläche vom Pyramidenfeld von Nuri liegt ebenfalls wie El-Kurru jenseits der Nilflutzone und seine Fläche ist etwa doppelt so groß. Im Unterschied von El-Kurru sind die Außenwände der Pyramiden nicht flach, sondern abgestuft. Trotz der Verwitterung und schlechter Erhaltung ist dies noch deutlich erkennbar.


Skizze: Schreck, Bernhard; Steinerne Gräber und lebendige Kulturen am Nil.
Überwiegend enthalten die Gräber der Pyramiden jetzt drei unterirdische in den Fels gehauene Kammern, die durch eine tiefe Treppe zu ereichen waren. Die Wände der Kammern waren komplett mit Reliefs oder gemalten Texten und Szenen nach ägyptischem Vorbild dekoriert.
Einige der östlich vorgebauten Kapellen sind mit Reliefs im ägyptisch-äthiopischen Stil verziert. Heute sind von den vorgesetzten Kapellen höchstens nur noch fragmentarische Reste zu erkennen.

Die napatanischen Könige wurden nach ägyptischen Vorbild mumifiziert. Ihr Körper wurde mit Mumienbinden umgewickelt, auf dem Brustkorb in Höhe des Herzen ein Skarabäus aus grünem Stein gelegt. Ebenfalls über Kreuz wurde der Krummstab und Dreschflegel gelegt, die herrschaftlichen Insignien. Finger und Zehen waren mit Gold bedeckt (die einzigen existierende Belege wurden in Königinnengräber gefunden). Die Eingeweide wurden in großen Kanopenkrüge platziert.
Die königlichen Mumien lagen in dekorierten hölzernen Innensärge mit Goldfolie bedeckt, die darauf abgebildeten (Horus-) Augen waren mit Intarsien aus Bronze, Calcit und Obsidian geschmückt.
Diese Särge wurden in größere  Särge gestellt, die außen mit Blattgold belegt und mit Falken oder Geiern mit ausgebreiteten Flügel geschmückt waren.
Von zwei Königen wurden große Sarkophage aus Granit gefunden, auf welchen Reliefs mit Szenen und Texten aus dem Amduat (Jenseitsbuch) versehen waren.
Vor den Wänden der Grabkammern wurden rundum Uschebti-Figuren aus Stein oder Fayence gelegt.

Obwohl die Gräber schlecht erhalten und geplündert sind, deutet einiges darauf hin, daß die Könige mit Möbel, wertvollem Schmuck, Gefäße, Hygieneartikel und anderen persönlichen Dingen bestattet wurden.
 

Die Gräber und Bestattungen der Königinnen waren ähnlich der der Könige, allerdings weniger aufwendig und die verwendeten Materialenwaren weniger kostspielig. Die meisten Gräber der Königinnen enthielten zwei miteinander verbundene Kammern und waren zwischen 4 m und 8 m tief, während die Gräber der Könige zwischen 8 m - und 9 m unter der Erde lagen. Die Pyramiden waren halb so hoch wie die der Könige. Einige Gräber der Königinnen enthielten nur eine einzige Kammer mit einer noch niedrigeren Pyramide. Ein Königinnengrab enthielt nur eine Kammer ohne erkennbaren Aufbau, ähnlich wie die Gräber in El-Kurru.
Die noch erhaltenen Wände zeigten Spuren von Verputz und Malereien. Einzelne Gräber waren mit Nischen für Statuen oder Lampen ausgestattet. In der Mitte der Gräber etwas südlich der Achse war der Boden etwas eingelassen, worin eine niedrige Bank aus entweder stehen gelassenem Fels oder Mauerwerk stand, auf dem die Särge der Königinnen gestellt wurde.
Die Größe, Lage und Umfang der Ausstattung von den Königinnengräbern scheint auf die politische Stellung der Königinnen in der meroitischen Zeit hinzudeuten. Keine der Königinnengräber war mit einer Kapelle mit Pylon versehen.


Plan: Lehner, Mark; Geheimnis der Pyramiden

Die Pyramide von Taharqa war die größte, die jemals im Sudan errichtet wurde. Obwohl sie wie die anderen Pyramiden inzwischen ziemlich zerstört ist, wirkt sie immer noch immer beeindruckend.

Auf den Fotos ist sie oben links vorne und unten auf den ersten drei Fotos der ersten Reihe zu sehen.

In seinem ursprünglichem Zustand war diese Pyramide bis zu vier Mal größer als die Pyramiden seiner unmittelbaren Vorgänger in El-Kurru und seinen beiden Nachfolgern Tanutamen und Atlanersa und blieb etwa doppelt so groß wie alle später errichten Pyramiden.
Die Basislänge betrug 51,75 m und hoch war sie ca. 63 m (nach T. Kendall; M. Lehner gibt eine Höhe von 40 oder 50 m an).
Als einmalige Besonderheit dieser aus weißem Sandstein erbaute Pyramide war, daß diese zwei, möglicher Weise auch drei Baustufen aufweist.
Die erste Baustufe war mit glattem Sandstein verkleidet. Angefertigte Zeichnungen und Berichte aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigen, daß die abgeflachte Spitze der inneren Pyramide aus dem zerfallenen Kern der größeren äußeren Ummantelung hervor ragte. Die letzte Baustufe war die erste mit mit gestuften Lagen und mit abgeflachten Ecken. Der Neigungswinkel betrug 69°.
Als Reisner am Beginn des 20. Jahrhunderts, etwa in den 20er Jahren in Nuri grub, war die innere Pyramide bereits viel niedriger.
Die 2. oder 3. Baustufe könnte erst einige Zeit nach dem Tod des Königs hinzugefügt worden sein.
Die Pyramide von Taharqa ist die einzige in Nuri, die keine Kapelle besitzt, es waren keine Spuren oder Hinweise einer Kapelle zu erkennen. Eine Umfassungsmauer schloß sich eng um die Pyramide.


 

Die unterirdischen Kammern sind die schönsten aller Kuschitengräber. Sie unterscheiden sich auch grundlegend von allen anderen Königsgräbern vor und nach seiner Regierungszeit.
51 Stufen führen in die 13 m tiefe Grabkammer. Von Osten her betrat man diese Pyramide, was der Anordnung der ursprünglichen kleineren Pyramiden entsprach.
Nach den ersten 3 Stufen befindet sich eine Tür mit ausgekehltem Rahmen und Gesims. Danach folgt ein Tunnel, der sich zu einer Vorkammer mit Tonnengewölbe weitet.
Die Grabkammer wird mit sechs aus dem Fels gewachsenen Pfeilern unterteilt in zwei Seitenschiffe und einem Mittelschiff, die alle ebenso ein Tonnengewölbe aufweisen.
Die Wände waren einst verputzt und mit heller Farbe versehen.
In der Grabkammer befindet sich in der Mitte des Raumes eine in den Fels gehauene Mulde, die unter dem Niveau des Grundwasserspiegels liegt, in welcher sich der Sarkophag befand. Vom Sarkophag wurde, nach Aussage von Mark Lehner, während der Ausgrabungen nichts gefunden.
Die Anlage ähnelt dem Osireion, dem oberirdischen Tempel und symbolischen Osirisgrab, das Sethos I. in Abydos errichten lies.

Die folgende Fotos zeigen einen Überblick der meisten Grabstätten vom Pyramidenfeld von Nuri.
     
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