Die Lehre für den König Merikare

 

(Auszüge aus der "Die Lehre für den König Merikare" entnommen aus:
Brunner, Hellmut: Altägyptische Weisheit. Lehren für das Leben.  Zürich und München: Artemis, 1988.)

 

[P1]
Beginn der Lehre, die der König von Ober- und Unterägypten... verfaßt hat] für seinen Sohn, den König Merikare.
[…]

[P21]
Wenn du findest, daß er (der Gegner) im Lande keine Sippe hat, daß er unbekannt ist in seiner Stadt, doch im ganzen mit zahlreichen Anhängern, da sie ihn wegen seines Besitzes und auch wegen seines Wissens schätzen, womit er sich die Herzen erobert,
dann setze ihn in den Augen seiner Leute herab,
bevor er ein Störenfried wird,...
Vertreibe ihn, töte seine Kinder, lösche seinen Namen.
Vernichte seine Sippe, tilge die Erinnerung an ihn und seine Anhänger, die ihn schätzen.

[P24]
Wer ein unruhiges Herz hat, bringt die Stadt (= Staat) in Aufruhr, er macht aus den Anhängern Partisanen. Wenn du aber findest, daß er zu den Stadtbewohnern gehört,...
dann verklage ihn vor den Hofbeamten, schaff ihn fort, denn er ist wahrhaft ein Rebell.
Ein Redner bringt die Stadt nur in Verwirrung. Ducke die Menge, beseitige die Hitze von ihr.
Es ist nicht tadelnswert, einen Rebellen fernzuhalten vom kleinen Mann, der zur Rebellion aufgestachelt werden soll.

[P28]
Der kleine Mann ist verwirrt,...
[...]

Du sollst dich bei Gott rechtfertigen können, so daß die Leute auch in deiner Abwesenheit
sagen können, daß du entsprechend dem Verbrechen strafst.
Den Himmel eines Menschen bedeutet sein gutes Wesen,
doch der Fluch eines Wütenden ist vom Übel.

[P32]
Sei ein Meister im Reden, damit du mächtig seist!
Die Waffe (eines Königs) ist seine Zuge,
die Rede ist mächtiger als jeder Waffenkampf, und einen Mann mit Esprit kann man
nicht hintergehen....
Ein [Schutzwall] für die Beamten ist der Weise, nicht werden ihn die angreifen,
die sein Wissen kennen, und so geschieht kein Unheil in seiner Umgebung.
Die Ma'at kommt zu ihm durchgeseiht entsprechend den Ratschlägen,
die die Ahnen ausgesprochen haben.

[P35]
Ahme deine Väter und deine Vorväter nach!
Erfolgreich arbeiten kann man nur als Wissender.
Ihre Worte sind ja erhalten in ihren Schriften, schlage sie auf und lies und eifere den Weisen nach!
Denn ein Meister werden kann nur ein Wissender.
Sei nie bösartig, Geduld ist gut.
Schaffe dir ein bleibendes Denkmal durch Beliebtheit.
Vermehre die Landarbeiter, aber halte dich zu den Städtern:
Man dankt Gott (hier: dem König) für Zuwendungen und wird für [deinen Namen] eintreten, deine Güte preisen und [immerdar] für deine Gesundheit beten.

[P38]
Halte die Beamten in Ehren und laß es deinen Leuten wohl ergehen,
festige (auf diese Weise) deine Grenzen und dein Vorfeld, es ist ja richtig,
für die Zukunft zu handeln.
Das Leben des Vorausschauenden wird geachtet, doch der Vertrauensselige kommt in Leid. Handle so, daß man sich wegen deines guten Charakters für dich einsetzt.
Gemein ist, wer das Land aus eigenem Interesse an sich bindet, und ein Ungebildeter,
wer giert nach etwas, was anderen gehört.
Das Leben auf Erden geht dahin, es dauert nicht lange.
Glücklich der, an den sich der Schifflose erinnert!
Millionen Menschen (Untertanen) können dem Herrn der beiden Länder nichts helfen.
Gibt es einen einzigen Menschen, der ewig lebt?
Fort muß der, der an der Hand des Osiris wandelt, wie der sich lösen muß,
der es sich bequem gemacht hat.

[P47]
Tue die Ma'at, damit du auf Erden dauerst.
Beruhige den Weinenden, benachteilige nicht die Witwe,
bringe niemanden um die Habe seines Vaters.
Stufe keinen Großen in seiner Stellung zurück!
Hüte dich, ungerecht zu strafen; richte nicht hin, das bringt dir keinen Nutzen.
Strafe vielmehr mit Schlägen und mit Gefängnis, dann wird das Land dabei geordnet sein. Ausgenommen freilich den Hochverräter, dessen Plan entdeckt worden ist:
Gott kennt die Übelgesinnten, und Gott straft mit Blut.
Die Milde aber [verlängert] die Lebenszeit.
Töte keinen Mann, wenn du seine Geschicklichkeit kennst, mit dem zusammen du (in der Schule) die Schriften rezitiert hast.
Lies doch im Buche "Abrechnung"...wegen Gott.
Frei schreitet der Fuß am geheimen Ort, den er kennt,
er weicht nicht ab von den Wegen des Gestern.
Kein Zauber kann ihn fernhalten, und er erreicht die,
die ihm Wasser spenden.
[...]

[P68]
Die Jugend wird die Jugend berauben, wie es die Vorfahren vorausgesagt haben.
Ägypten kämpft sogar auf den Friedhöfen:
Schände keine Gräber, schände sie ja nicht!
Ich tat solches, und solches geschah (mir), wie es durch die Hand Gottes einen trifft,
der so frevelt.
Stell dich nicht schlecht mit dem Südland, du kennst doch die Prophezeiung der Residenz darüber.
Wie jenes in Erfüllung gegangen ist, wird auch dieses sich erfüllen.
Sie haben nicht verstoßen, gegen das, was sie gesagt haben.
Ich ging gegen This vor, bis an die südliche Grenze zu...
wobei ich eroberte wie ein Wolkenbruch - das hat nicht (einmal) der selige König Mer...  Re getan.
Sei milde zu ihm (dem Land) in Zukunft, sei hinhaltend mit ihm und erneuere die Verträge.
Es gibt keinen Wasserguß, der sich verbergen ließe; es ist richtig, für die Zukunft zu handeln.
[...]

[P81]
Es stand ein Aufstehender auf, ein Herr der (Residenz-) Stadt;
sein Herz war voller Sorge wegen des Nordlandes vom Sykomorentempel bis Sembaka,
und zu seiner südlichen Grenze, dem Zweifisch-Kanal.
Ich habe den ganzen Westen befriedet bis zur Mittelmeerküste.
Wenn sie Steuern zahlen - der Westen bringt das Zedernholz.
Wenn man Wachholderholz sieht - er hat es uns gegeben.
Der Osten dagegen ist voller Beduinen.
Ihre Abgaben... man hat die mittleren Inseln (also das mittlere Delta) zurückgebracht und jeden Mann in ihnen...

[P85]
Sieh, das Land, dem sie übel mitgespielt haben, ist in Gaue zerfallen und allerlei große Städte.
Was ein Einzelner beherrscht hatte, ist jetzt in der Hand von zehn Leuten. [...]
Der Haltepflock ist eingeschlagen, den ich für den Osten gemacht habe, bis zur Grenze von Hebenu und dem Horusweg, besiedelt mit Städten und voller Ägypter von den Besten des ganzen Landes, um Angriffe gegen sie abzuwehren.
[...]

[P91]
Gesagt wird ja dies von Barbaren:
Siehe, der elende Asiat ist übel dran wegen der Gegend, in der er lebt:
Dürftig an Wasser, versteckt unter zahlreichen Bäumen,
seine Wege schlecht wegen der Berge;
er kann nicht an einem Platze wohnen, denn die Not treibt (ihn) fort,
so daß sein Fuß [die Länder] durchstreift.
Er kämpft seit der Zeit des Horus, er siegt nicht, kann aber auch nicht besiegt werden.
Er kündigt nicht den Tag des Kampfes an wie ein Räuber,
den die Gemeinschaft ausgestoßen hat.

[P94]
Aber ich lebte und war auf dem Posten.
Die Asiaten waren in den Mauern einer Festung, die offen stand.
Ich vertrieb sie von dort (wörtlich: ich isolierte sie davon),
ich ließ das Delta sie besiegen,
ich nahm ihre Leute gefangen, erbeutete all ihre Lebensmittel, und tötete...
so daß die Asiaten jetzt Abscheu vor Ägypten haben.
Mach dir keine Sorgen um ihn:
Der Asiat ist ein Krokodil auf seinem Flußufer,
er schnappt zwar zu auf einem einsamen Weg,
aber er raubt nicht am Kai einer volkreichen Stadt.

[P98]
Grabe einen Wallgraben (im Wadi Tumilat) gegen ihr Gebiet und überflute seine Hälfte bis zu den Bitterseen.
Es ist ja die Nabelschnur der Asiaten.
Seine Befestigungen dort sind kampfbereit, seine Truppen zahlreich,
die Hörigen darin wissen die Waffen zu führen, nicht zu reden von den Freien darin.
Der Bereich von Memphis zählt im ganzen 10000 Mann, Bürger und Freie,
die keine Abgaben zu zahlen haben.
Die hohen Beamten dort stammen noch aus der Zeit der Residenz.
(Seine) Grenzen sind fest, seine Bollwerke stark,
und viele Deltaleute bewässern ihn bis zum Nordland,
indem sie mit Getreide besteuert werden wie Freie.
Das heißt, frühere Taten übertreffen.
Es (das Gebiet von Memphis) ist ja das Tor des Deltas
und bildet einen Schutzwall nach Herakleopolis.
[...]

[P106]
Wenn deine Grenze zum Südland umstritten wird, dann hat das zur Folge,
daß die Asiaten den Kampfgürtel anlegen.
Baue Siedlungen im Delta - nicht klein wird der Name eines Mannes durch seine Taten.
Eine wohlgegründete Stadt wird nicht zerstört.
Baue Kapellen für deine Statue;
doch der Feind will Zerstörung und Elend.
Der selige König Cheti hat als Lehre festgelegt:
'Der Schweigende wird gewalttätig, wenn die Opfer verringert werden',
Gott greift den an, der gegen die Tempel frevelt.
[...]

[P116]
Ein gutes Amt ist das Königtum.
Es hat (zwar) keinen Sohn, keinen Bruder, der seine Denkmäler bewahrte;
aber einer erweist dem anderen Wohltaten,
denn ein Mann handelt zu Gunsten eines, der vor ihm gelebt hat,
auf daß, was er geschaffen hat, erhalten werde durch einen, der nach ihm kommt.
Sieh, eine schändliche Tat geschah zu meiner Zeit,
geplündert wurden die Friedhöfe im Gau von This.
Es geschah jedenfalls als meine Tat, obwohl ich erst davon erfuhr, als es geschehen war.
Sieh doch, mein Lohn erwuchs mir aus dem, was ich getan hatte:
Es ist schändlich zu zerstören.
Keinem nützt es, wieder aufzubauen, was er vernichtet hat.
Sei davor auf der Hut!
Ein Schlag wird mit dem ebensolchen vergolten,
das ist die Verschränkung aller Taten (wörtlich: Verfugung)!
[...]

[P139]
Tu nichts Böses gegen dies mein Wort,
das alle Regeln über einen König bietet,
indem du dabei aufgeklärt wirst, damit du als Mann dastehen kannst.
Mögest du dann (dereinst) zu mir kommen,
ohne daß ein Ankläger gegen dich sich erhebt.
Töte keinen, der dir nahegestanden hat,
entferne ihn vielmehr von dir - Gott kennt ihn schon.
Jeder von ihnen soll es auf Erden gut haben,
denn alle Gefolgsleute des Königs sind göttlich.
Mache dich bei allen Leuten beliebt, denn ein guter Charakter bleibt in Erinnerung,
auch wenn viele Jahre vergangen sind.
Du wirst heißen: "Der die Zeit des Leidens beendet hat",
bei denen, die in der Dynastie des Cheti folgen werden,
wenn sie an das denken, was heute eingetreten ist.
Ich habe dir das Beste meiner Gedanken gesagt,
handle nach dem, was dir nun fest vor Augen steht.