Jenseitsglaube

Die Texte gewähren zwar einen Einblick in die ägyptische Religion und die altägyptischen Grabbräuche; haben aber ansonsten keine Übereinstimmung mit der Bibel oder sonstigen heutigen Religionsvorstellungen. Auch mit dem Tibetanischen Totenbuch sind sie nicht vergleichbar. Glaubenssätze und Offenbarungen, welche für den Gläubigen Richtungsweisend sein könnten, findet man nicht in diesen ägyptischen Totenbüchern.

Für uns mag sich die Vorstellungen des Lebens nach dem Tod, so wie es sich die alten Ägypter vorstellten, phantastisch und abstrakt anhören. Denkt man an die extrem wertvollen Grabbeigaben, welche alleine Tutanchamun erhalten hat, obwohl er ein relativ unbedeutender Pharao war, und nur deshalb bekannt wurde, weil sein Grab fast unberührt gefunden wurde; was haben dann wohl die anderen, bedeutenderen Pharaonen in das neue Leben mitbekommen?

Ihren wertvollsten Besitz gaben die alten Ägypter als Grabbeigaben mit ins Grab.  

Skizze Grab des Tutanchamun

In der frühen Zeit der ägyptischen Kultur galt der Totenkult nur den Pharaonen. Danach kamen die hohen Priester und einige hohe Würdenträger hinzu. Um das Seelenheil des einfachen Volkes kümmerte man sich kaum. Der Weg in die innersten Heiligtümer, in denen sich die eigentlichen Kultschreine befanden, war ihnen nicht erlaubt.

Nur an gewissen Festen, wie dem Auferstehungs- und Wiedererneuerungsfest, das „Osirisfest“, durften sie teilnehmen; sowie an anderen volkstümlichen Festen. Die einfache Bevölkerung benutze überwiegend die Magie und Zauberformeln bei Krankheiten, schlichteten Konflikte durch Orakelbefragung, welche meist von den Priestern ausgeführt wurden. Es gibt zahlreiche Papyri, z. B. der bekannte "Zauberpapyrus Harris", in welchem Beschwörungen zu lesen sind, die das Unglück bannen sollen. Ebenso haben Amulette, die mit Zaubersprüchen, und magischen Zeichen belegt sind, die gleiche Kraft Unglück zu bannen.

Um den Verstorbenen auf jede mögliche Weise Glück zu bringen, benutzte man auch Anch-Zeichen oder ähnliche Symbole, wie auch das Udjat-Horus-Auge, den Skarabäus und den Djed-Pfeiler.

Das Anch-Zeichen ist die Hieroglyphe für "Leben" spenden. Das Udjatauge bezieht sich auf das linke Auge des Horus, das nach der Mythologie in einer Auseinandersetzung mit Seth wegen der Ermordung von Osiris rausgerissen wurde und das Thot wiedereingesetzt und geheilt hat. Deswegen war das Auge als Heilamulett sehr beliebt. Der Skarabäus galt als Bild der Selbstschöpfung, da er seine Dungkugel oberirdisch mit den Hinterbeinen von Ost nach West rollte, wie der Sonnenlauf. Die Ägypter wußten nicht, daß diese Kugel die Eiablage war und verehrten ihn als Sinnbild der Selbsterneuerung.

Der Djetpfeiler war ursprünglich ein Pfahl, um den oben in Reihen Getreideähren gebunden waren. Er galt als Fruchtbarkeitssymbol.

 

 

Durch die Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse änderte sich einiges. Im Laufe dieser Zeit konnten sich auch sogenannte einfache Bürger, falls sie die finanziellen Mittel dazu aufbringen konnten, selbst Gräber oder sogar kleine Grabpyramiden, wie zum Beispiel in „Deir el Medine“, errichten lassen. 

Finanziell waren aber die wenigsten dazu in der Lage. Nicht nur das Anlegen der Gräber war sehr kostspielig, sondern auch die Schreiber und sonstigen Künstler, die die Grabausschmückung vornahmen, verlangten nicht gerade wenig für ihre Arbeit. 

Nach all dem, wie intensiv sich die Ägypter mit dem Tod schon in jungen Jahren beschäftigten und vorbereiteten, sollte man nicht schließen, daß sie Träumer und Phantasten, oder im realen Leben unglücklich waren. Sie waren Realisten und liebten das Leben, das fruchtbare Land, in dem sie lebten, und hatten keine Todessehnsucht und voreiliges Verlangen das Irdische zu verlassen. Es war ihnen aber bewußt, daß dieses Leben nicht von Dauer ist. Sie beschäftigten sich schon früh damit, verdrängten den Tod nicht, wie man es in der heutigen Zeit überwiegend macht. Sie sahen dieses Leben als einen Übergang in ein Neues, vielleicht noch schöneres Leben; und dafür wollten sie vorsorgen, um es dort so angenehm wie möglich zu haben.

Entsprechend der Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter benötigte der Tote auch neben den Grabbeigaben Opfer an Brot, Bier, Rindern, Geflügel sowie Kleidung. Also alles an guten und reinen Dingen, von denen ein Gott lebt. Es mußten nicht nur reale Dinge sein, es genügte auch, wenn diese Dinge als Opferformel aufgesagt wurden und die realen Gegenstände als Modelle oder auf Zeichnungen an den Grabwänden „geopfert“ wurden.

Für die Könige wurden landwirtschaftliche Güter gestiftet und aus deren Ertrag das Opfer und der Unterhalt der Totenpriester bestritten. Diese königlichen Stiftungen konnten das Ausmaß eines ganzen Dorfes annehmen. Sogar hohe Beamte erhielten vom König solche Stiftungen, wenn auch im kleineren Ausmaß. Den Totendienst bei Privatpersonen übernahmen der älteste Sohn und später die ganze Familie. Die Toten blieben Teil der Familie und nahmen nach dem altägyptischen Glauben auch an den Festen rituell teil. 

Vom Glauben an die Unsterblichkeit der Seele zeugen die reichen Grabbeigaben und die einbalsamierten Mumien. 

Oft ist auf den Grabmalereien ein vogelähnliches Wesen mit Schwingen dargestellt. Es ist der "Ba", die Geistesseele. Man glaubte, daß dieser "Ba", die Seele des Verstorbenen, nach dem Tod aus dem Körper austritt und jede beliebige Gestalt annehmen, also auch durch die sogenannten Scheintüren in den Gräbern treten und die Lieblingsorte des Verstorbenen, in der realen Welt aufsuchen kann.

Nach dem Glauben der Ägypter war das Wesen des Menschen vielgestaltig, also "Ba" nicht die einzige Seele des Verstorbenen. 

Die Hauptseele war der "Ka", die Körperseele, eine erdverbundene Wesenseinheit, die in jedem Menschen wohnt. Dieser blieb nach dem Tod im Menschen zurück und ernährte sich von den reichhaltigen Opfergaben. Das Herz galt als Sitz des "Ka", deshalb achteten die Einbalsamierer darauf, daß es an seinem Platz unbeschädigt blieb, mußte es sich doch vor dem Totengericht verantworten. 

Der dritte Seelenbegriff ist "Ach". Dieser wurde mit der Hieroglyphe des Schopfibisses dargestellt und bedeutete der "verklärte Tote" im Jenseits.

 

Nach dem Glauben der alten Ägypter mußte jeder Tote zuerst vor das Totengericht. Er wurde aufgerufen in der "Halle der Beiden Wahrheiten" zu erscheinen, einem Gerichtshof, dem unter Leitung des Totengottes Osiris die Götter vorstanden. 

Vor diesem Gerichtshof mußte der Tote darlegen, warum er zum Jenseits zugelassen werden sollte. Durch das Rezitieren der Texte und Sprüche aus dem Totenbuch, dem sogenannten "negativen Sündenbekenntnis", wurde er für würdig gefunden, als "gerechtfertigt durch die Stimme (wahr an Stimme)".  In diesem negativen Sündenbekenntnis beteuert der Verstorbene vor Osiris - als Totenrichter - und vor dessen 42 göttlichen Beisitzern, daß er niemals Unrecht getan hätte und zählt eine lange Liste von Sünden auf, die er NICHT getan hat. Möglich, daß diese Aufzählung auf ein ausgeprägtes Moralverständnis hinweist. Es ist aber auch wahrscheinlich, daß diese litaneiartigen Aufzählungen durch magische Kraft den Toten vor der Abweisung bewahren helfen sollte. 

Hier ist eine Szene von den sogenannten ägyptischen Totenbüchern zu sehen, in der der Wert des Verstorbenen bewertet wird, bevor er vor Osiris treten darf. Links wird der Verstorbene von Anubis herangeführt. Dieser wiegt im nächsten sein Herz (sein Gewissen); Thot hält das Ergebnis fest. Anschließend bringt Horus den Verstorben vor Osiris. 

Nach diesem Rezitieren folgte der zweite Gerichtsakt. Hier wurde sein Herz auf die Waagschale gelegt und auf die andere eine Feder, welche das Symbol für die Maat ist.   

Die Maat wurde als Göttin, Tochter des Sonnengottes Re, gedacht, die für die Gerechtigkeit und göttliche Ordnung sorgt. Dargestellt wurde die Göttin meist sitzend, mit einer Straußenfeder auf dem Kopf.  

Anubis übernimmt dabei das Wiegen und  Thot zeichnet das Ergebnis auf.
War das Herz aber mit Sünden beladen, wurde es der großen Fresserin, einem Krokodil ähnlichem Wesen, zum Fraß vorgeworfen. Damit hörte der Mensch für immer auf zu existieren.  
War man im Jenseits, im sogenannten "Gefilde der Seeligen" aufgenommen, stieg man zum Himmel empor und lebte als Stern weiter.

Oder man begleitete den Sonnengott Re in dessen Sonnenbarke und überquert in seiner Tagesbarke das Himmelsgewässer sowie in seiner Nachtbarke die Unterwelt, wo sie von dem Schlangendämon Apophis bedroht wird.
Auf  einigen Darstellungen in den Gräbern ist zu sehen, wie der Sonnengott beim Kampf gegen Apophis von Gott Seth    unterstützt wird. Das Blut des Schlangendämons färbt bei Morgenrot und Abenddämmerung den Himmel rot, so glaubte man. Der Verstorbene wurde sozusagen Eins mit Osiris und Teilhaber an dessen Macht über das Totenreich.

Im Gegensatz zu heutigen Religionen, ist von Hölle und Verdammnis nicht die Rede.

Die "Fresserin", das krokodilköpfige Ungeheuer macht auch auf den Darstellungen keinen besonderen angriffslustigen Anschein. Man vertraute auf den Schutz und die Hilfe der anderen Götter und war sich der Hilfe wohl ziemlich sicher.
Die alten Ägypter glaubten an eine ausgleichende Gerechtigkeit. Darunter verstanden sie, daß es eine ethnische Ordnung gab und zwar in jedem gesellschaftlichen  Bereich. 
 

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