Das Grab des Anchtifi in Moalla 
 
Anchtifi war in der Herakleopolitenzeit (9. Dynastie) Gaufürst von Hierakonpolis und später auch von Edfu. Er agierte jedoch militärisch ebenfalls in Armant, Theben und sogar in Abydos.
Man könnte sagen, daß Anchtifi einer von den Gaufürsten war, der durch sein eigenmächtiges Handeln mit zum Zusammenbruch der Zentralmacht am Ende des Alten Reiches beitrug.

Sein Grab legte er in Moalla (früher Hefat) an der Ostseite des Nils, ca. 30-35 km südlich von Luxor an.
Hier befinden sich viele Gräber höherer Beamten aus der 1. Zwischenzeit, so auch das Grab des Sobekhotep.
Die Gräber sind undekoriert, außer den beiden von Anchtifi und Sobekhotep.

Entdeckt wurde das Grab bereits 1928, allerdings wurde es erst 1950 publiziert.
Die französischen Archäologen Mark Collier, und Bill Manley untersuchten in den 20er Jahren diese Gräber.
Sie erkannten an der Lage, daß es reguläre Pyramidengräber sind, mit dem einzigen Unterschied, daß diese nicht künstlich erbaute Pyramiden sind, sondern sich um eine natürliche Pyramide handelt, die von der Bergform vorgegeben ist.
Dieser pyramidenförmige Berg bildet den Mittelpunkt für eine große Anzahl Gräber, die um ihn errichtet wurden.

Die Gräber der Gaufürsten Anchtifi und  Sobekhotep sind genau nach Westen zum Sonnenuntergang ausgerichtet.
Zur Zeit der Gaufürsten waren Pyramidenbegräbnisse allein dem Pharao vorbehalten.
So nutzten die Gaufürsten die Wirren des Zusammenbruchs des Landes, um ihre Macht zu mehren und mit der Lage dieser Gräbern ihren Stellenwert zu verdeutlichen.

Die Gräber erstrecken sich auf etwa noch weitere vier bis fünf Kilometer. Es wird vermutet, daß sich hier in dieser Umgebung die "verlorene" Hauptstadt Hefat befinden könnte.
Es gibt wenige Erkenntnisse aus dieser Zeit. Archäologen hoffen, wenn es gelingt dort diese Stadt zu finden, mehr über diese Zeitepoche zu erfahren.

Von besonderer Bedeutung sind neben den mit Malereien versehenen Grab, die Inschriften auf den Säulen. Sie enthalten Texte, die einen Einblick in die damalige Zeit, der politischen Situation des Landes und dem Leben der Bevölkerung gewähren.
Es ist somit die bedeutendste Beschreibung der frühen ersten Zwischenzeit nach dem Zusammenbruch des Alten Reiches.
So enthält eine Säule einen biografischen Text des Anchtifis, auf dem er die Hungersnot im Lande beschreibt, die während der turbulenten Zeit der 1. Zwischenzeit (ca 2100 v. Chr.) herrschte.
Es war eine Zeit der Anarchie und Ruhelosigkeit, in der das Königreich einzustürzen drohte.

Anchtifi
rühmt sich in seiner Biographie seiner Fähigkeiten als lokaler Gaufürst die bestehende Wirtschaftskrise im Griff zu haben, daß bei ihm niemand des Hungers sterben mußte, zählt einzeln seine "Wohltätigkeiten" auf, die er seinen Bewohnern zukommen ließ.
Ferner rühmt er sich, neben seinen eigenen Gauen bei einer Hungersnot nicht nur
Elephantine und Wawat (Unternubien) mit Getreide versorgt zu haben, sondern auch Oberägypten bis hinauf nach Ombos und Abydos. 
Unsicher ist, ob diese Hungersnot, die in ganz Ägypten herrschte, allein von den politischen Unruhen herführte oder auch vom niedrigen Nilstand und den damit verbundenen Ernteausfällen im Zusammenhang stand.

Die Aussagen des Anchtifi über seine Person und seinen Wohltaten, auch wenn sie möglicherweise sehr verschönt sind, geben die Situation der damaligen Zeit wieder und lassen Rückschlüsse ziehen über eine Zeit, von der es wenige Belege gibt.

Um einen Einblick über den Inhalt seiner Autobiographie zu bekommen ein paar Auszüge der Übersetzung von Wolfgang Schenkel (1) (gekürzt, sowie Ergänzungen und Erläuterungen weg gelassen):
 

 - ...Der Fürst, Graf, Königliche Siegler , Vorlesepriester, Truppenführer, Dragomanenführer, Auslandsvorsteher, Großes Oberhaupt des Horusthrongaus und des Festungsgaus sagt :

…Horus führte mich in den Horusthrongau um Leben, Heil und Gesundheit willen, damit mein Ruf ihn neu ordnete; denn Horus hatte den Wunsch, ihn (den Gau) neu zu ordnen, als er mich schickte, um ihn wieder zu ordnen...

- ...Ich bin der Anfang der Menschen und das Ende der Menschen; einer, der die Entscheidung findet , wenn sie Not tut , als einziger im Land, auf Grund klugen Planens; einer, der seiner Worte mächtig ist, der am Tage der Vereinigung der 3 Gaue nicht verstört war.  Ich bin der Held ohne Gleichen, der das zu Sagende  sagt, wenn das Volk nicht zu sprechen wagt, in bangen verstummt ist. Über keinen aber, auf den ich meine Hand legte , kam je ein Mißgeschick, wegen der Festigkeit meines Herzens und wegen der Trefflichkeit meines Planes.
Jeder Unwissende aber und jeder Elende, der sich gegen mich aufwirft, bekommt entsprechend dem zurück, was er gegeben hat.
"0
Jammer!" ruft man über den aus, den ich einmal erhöht hatte; denn sein Hausstand(??) säuft ab wie ein Boot. Ich bin der Held ohne Gleichen.

-...I
ch bin der Anfang der Menschen und das Ende der Menschen; denn das Entstehen eines mir Gleichen gibt es (bis jetzt) nicht, und nicht wird ein solcher (je) entstehen; ein mir Gleicher ist (noch) nicht geboren worden, und nicht wird er (je) geboren werden. Ja ich habe übertroffen, was meine Vorfahren getan haben, und meine Nachfolger werden mich in allem, was ich gemacht habe, nicht erreichen, in dieser (kommenden) Million von Jahren; denn wenn diese Truppe aus Moalla ruhig ist, dann ist auch dieses Land ruhig, wenn sie aber wie ein Krokodil in Furchtbarkeit(?) auftritt, dann hört auch dieses ganze Land nicht auf zu zittern. Wenn ich zu den Rudern greife finde ich die Rinderherden eingeschlossen und die Riegel vorgeschoben; wenn ich zum Thinitischen Gau gegen einen Pflichtvergessenen los fahre, dann finde ich ihn (den Gau), indem die Wächter auf den Mauern stehen, wenn ich den Kampf antreibe(?), dann ruft er aus, der Nichtswürdige: "Das ist ein Jammers" Ich bin der Held ohne Gleichen.

-... Es kam auch der Truppenführer von Hermonthis mit der Aufforderung: Komm(?) doch, du Held, (entsetze?/schütze/nehme) die Festungen. Da zog ich nordwärts durch die Westgebiete von Hermonthis und fand, wie der ganze Thebanische Gau und Zweiherrengau die Festung von Hermonthis am Hügel des %mxsn einnehmen wollten, und an es Hermonthis herankamen. Da ... [...], und [...] dort wie ein ...[...] auf den Nüstern eines Nilpferds, wenn es flieht.
Dann zog ich (wieder) stromauf (um Vorbe
reitungen zu treffen), um ihre (eigene) Festung mit der starken Truppe von
Moalla zu zerstören.

-... Ich fuhr stromab mit meiner schlagkräftigen Jungmannschaft von Lieblingen und landete im Westen des Thebanischen Gaus; die Spitze der Flotte war am Hügel des [
%xm]sn das Ende der Flotte am Gut des §mj. Die Jungmannschaft von Lieblingen war auf der Suche nach Kampf, überall im Westen des Thebanischen Gaus. Aber man getraute sich aus Furcht vor ihr (der Jungmannschaft) nicht heraus.

-... Ich fuhr stromab und landete im Westen des Thebanischen Gaus; das Ende der Flotte war am Grab des
Jmbj, die Spitze der Flotte an der Weide des SgA, deren Mauern belagert wurden, da sie bei ihrem (der
Jungmannschaft) Anblick aus Furcht die Riegel vorgeschoben hatte, während(?) diese starke Jungmannschaft von Lieblingen aus Kampfbegeisterung sogar zu einem Suchkommando wurde, überall im Osten des Thebanischen Gaus, auf der Suche nach Kampf. Aber man getraute sich aus Furcht vor ihr (der Jungmannschaft) nicht heraus. ...
 

Unter anderem ist auch noch ein sogenannter Grab-Fluch zu lesen, der folgend anfängt:
"...
Jedem Herrscher, der in Moalla herrscht, und der eine schlechte oder üble Handlung gegen diesen Sarg ausführt oder gegen irgendein Bestandstück dieses Bauwerks, soll ein Arm für Hemen abgeschlagen werden ..... usw. ...". Es folgen ausführliche Beschreibungen was demjenigen alles passieren soll, wer sein Grab plündert oder zerstört.
 

Das Grab des Anchtifi ist ein kleines Grab.
Der Eingang führt in eine rechteckige Halle, die viele kunstvoll bemalte Säulen enthält.
Alle Säulen sind nicht mehr oder zum Teil nur noch unvollständig erhalten.
Die Ostwand enthielt gegenüber der Tür vermutlich eine Scheintür.
Erhalten ist noch die Darstellung von Anchtifi und seiner Frau, die vor einem Tisch mit Opfergaben sitzen.
Unter dieser Darstellung, wo sich wahrscheinlich eine Scheintür befand, befindet sich ein Schacht.
Dort war vermutlich der Sarkophag von Anchtifi.
Die Wände waren mit Gips geglättet und mit farbenprächtig bemalter Dekoration versehen, wovon noch einiges gut erhalten ist. Zu sehen sind viele verschiedene Themen aus dem Alltagsleben, was in Königsgräbern die nach dem vorgegebenen rituellen Muster ausgeschmückt sind, nicht zu sehen ist.
So sieht man innerhalb des Eingangs eine Fisch- und Vogeljagdszene, auf der rechten Wand eine Vielzahl von Fische, die der Verstorbene durchbohrt, während seine Frau einem Vogel den Schnabel zuhält.
Das Fehlen der Darstellung von Papyrus-Dickicht, wie in den formalen Königsgräbern üblich, fällt hier besonders auf.

Anchtifi wird auf anderen Szenen gezeigt wie er seine sonstigen Aufgaben wahr nimmt, z. B. das Überwachen der Metzger, während seine Schiffsflotte auf ihn wartet.

Die gegenüberliegende Ostwand zeigt Reihen von Vieh und verschiedene andere Tiere aus landwirtschaftlichen Szenen, wie verschiedene Kühe, Esel die Korn tragen und andere Nutztiere.

Am Ende dieser Wand erkennt man bildliche Darstellungen von Männern, die mit ihren Jagdhunden auf Jagd gehen.
Auf den noch erhaltenen anderen Säulen sind noch gut erhaltene Darstellungen von landwirtschaftlichen Tätigkeiten, der Lebensmittelzubereitung, dem Bierbrauen und anderen handwerkliche Tätigkeiten zu sehen, wie z. B. Zimmereien.

Am südlichen Ende des Grabes befinden sich Abbildungen vom Säen und Pflügen der Felder und von Frauen, die singend im Chor sich die Hände halten.


zurück zur 1. Zwischenzeit
(1) Schenkel, Wolfgang;  Ägyptologische Abhandlungen / Memphis - Heraklonpolis - Theben; Band 12; Seite 45-51. Wiesbaden 1965