Der Tempel von Soleb
 

Amenophis III. (in der Literatur auch oft Amenhotep genannt) war der neunte altägyptische König der 18. Dynastie (1388–1351/50 v. Chr.). In seinen Anfangsjahren der Regierung widmete er sich aktiv der Nubien Politik. Durch zwei Stelen bei Assuan (Konosso) und eine auf der Insel Sai ist ein Feldzug unter ihm in seinem 5. Regierungsjahr belegt. Er soll sein Heer bis an den 5. Nilkatarakt geführt haben. Nicht nur in Ägypten, auch im nubischen Raum sind von ihm während seiner Regierungszeit aktive Bautätigkeiten erfolgt.
Denkmäler sind von ihm vom Norden nach Süden neben anderen Bautätigkeiten folgende zu finden: Bauten in den Orten Wadi es Sebua, Quban, Amada, Aniba Buhen, Semnar-Ost, Sedeinga (nördlich, nicht weit von Soleb hat hier Amenophis III. einen kleineren Tempel seiner mit Isis-Hathor identifizierten Gemahlin Teje gewidmet) und dem größten ägyptischen Tempel Soleb südlich von Theben.
Der Tempel von Soleb befindet sich zwischen dem 2. und 3. Nilkatarakt, etwa 500 Kilometer oberhalb (südlich) von Assuan. Soleb, (auch Sulb oder Solib genannt) ist die lokale Aussprache eines nubischen Namens ohne bekannte Bedeutung. Es handelt sich wohl um den Namen der lokalen Scheicha, die nördlich der Ruinen hausten. Somit bezieht sich der Ausdruck zunächst nur auf die dortige Siedlung. Der Name dieser Siedlung wurde bereits von frühen Reisenden auf diese Tempelanlage übertragen.
Errichten ließ Amenophis III. den Tempel von seinem Baumeister und berühmten Gelehrten (heute durch zahlreiche große Bauprojekte bekannt) Amenophis, Sohn des Hapi, der auch dessen Millionenjahrhaus auf der Westbank von Theben und den Luxor-Tempel errichtet hat.

Der Tempel von Soleb war sowohl dem Gott Amun-Ra von Karnak als auch Neb-maat-ra, dem Herrn von Nubien (einer vergöttlichten Form von Amenhotep III. selbst) geweiht. Neb-maat-ra wird als menschengestaltiger Mondgott dargestellt mit den nach vorn gebogenen Widderhörnern des Amun. Er verkörpert somit eine lokale Version des Chons, des Sohnes von Amun-Ra und Mut, die die Triade von Karnak bilden.
Der Tempel war Festplatz für die Jubelfeier des Sedfestes1 und für das Ritual der "Beleuchtung der Throne", in dessen Verlauf Neb-maat-ra angerufen wurde, damit er das Auge des Horus heile und dadurch das Erscheinen des Vollmondes gewährleiste. In verschiedenen Mythen wird über die Flucht des "Auges" nach Nubien berichtet, wo es dann auch die Gestalt einer Löwin annehmen kann. Es ist daher möglich, daß einer der beiden Löwen des liegenden Löwenpaares aus rotem Granit, mit dem Namen Amenophis III. versehen, ursprünglich im Tempel von Soleb aufgestellt und später zum Gebel Barkal versetzt, die Löwengöttin des Vollmondes, Tefnut-Mehit, darstellte. Diese Statuen, die sogenannten Prudhoe-Löwen, befinden sich heute im Britischen Museum.
Der Basler Reisende Johann Ludwig Burckhart (auch Scheich Ibrahim genannt) besuchte am 15. März 1913 als erster Europäer diesen Tempel.
Umfangreiche Grabungen fanden das erste Mal in den Jahren 1957 bis 1963 statt. Hierbei konnte festgestellt werden, daß das Bauprogramm vier Stufen umfaßte.
In der 1. Stufe entstand ein kleiner Tempel, der an der Rückseite und an den Seiten mit Nebenräumen versehen wurde. Das Gelände um diesen Tempel wurde mit einer Umfassungsmauer von 105 x 120 Meter umgeben.
In der 2. Stufe wurde ein Saal mit 24 Palmkapitellsäulen vorgebaut, davor ein Hof angelegt. Ebenso wurde eine neue Umfassungsmauer mit vorspringenden Türmen errichtet und somit das Gelände auf 140 x 175 Meter erweitert. In die Mauer wurde ein 2. Pylon intregiert und bildete nun den neuen Eingang zum Tempel.
In der 3. Stufe entstand ein neuer Hof mit Hallen, die mit Papyrussäulen umgeben wurden. Vor dem 2. Pylon kamen sechs Kolossalstatuen und zwei Obelisken dazu. Eine Allee von Widdersphingen bildete nun den Zugang zur Kaianlage am Nil. Ein neuer Kiosk wurde vor dem 2. Pylon mit 12 Meter hohen Palmsäulen gebaut. 
In der 4.und letzten Stufe wurde vor der Sphingenalle ein 3. Pylon zugefügt und die Umfassungsmauer noch einmal erweitert. Somit war nun das Gelände mit 210 x 240 Meter flächenmäßig größer als der ähnlich angelegte Luxor-Tempel.
Heute sind nur noch wenige Säulen und Mauerreste erhalten. Auch hier war das Nilhochwasser und das wechselnde Klima der Hauptgrund der Zerstörungen.
Auf den Mauerresten des zweiten Hofes sind noch wichtige Reste einer Sedfest Darstellung zu erkennen. Es wird angenommen, daß die Darstellung des Sedfestes, wie im Totentempel des Königs, die gesamten Wände des Hofes schmückten.
Die bekannten Skulpturen liegender Löwen, von denen zwei durch den Äthiopenkönig Amanislo (auch unter Amonasro bekannt) zum Gebel Barkal verschleppt wurden. Von dort gelangten sie in späterer Zeit in das Britische Museum. 
Skizze:
Arnold, Dieter; Die Tempel Ägyptens.
Ein weiter Blick auf die verschiedenen Baustufen.
Erhalten ist von dieser Anlage heute leider nur noch sehr wenig.

 

Skizze: Rekonstruktion von Arnold, Dieter im Lexikon der ägyptischen Baukunst. München 1994.

Blick auf die Tempelanlage von verschiedenen Himmelsrichtungen mit den noch erhaltenen Papyrusbündelsäulen.

An der vom Eingang rechten Pylonwand vom 2. Hof befinden sich wohl die bekanntesten Reliefs. Sie sind heute nur noch schlecht erhalten und schwer zu erkennen. Sie zeigen das erste heb-sed-Fest1 des Amenophis III. in seinem 30. Regierungsjahr. Diese Szenen schmückten wohl einst die gesamten Wände des Hofes. Zu sehen sind insgesamt 16 Register (acht schmale und acht breite) in denen verschiedene Gottheiten des Landes stehen, jede Gottheit in einem eigenen Schrein, um dem König anläßlich seines Jubiläums ihren Segen zu erteilen und am Umzug teilzunehmen.
Erhalten sind zwei Hauptserien an Abbildungen im hed-sed-Zyklus, die Krönungsfeierlichkeiten, in denen auch die Königin Teje anwesend ist, wie auch der rituelle Umzug um die Mauer mit Stationen an den verschiedenen Stadttoren. Am 12. Stadttor ist Amenophis in Begleitung des jungen Prinzen Amenophis IV. zu sehen, dem späteren König Echnaton.
Während des heb-sed-Festes werden dem König verschiedene Götterstandarten voran getragen. Als erstes die Standarte des Upuaut2. Der König trägt anläßlich dieser Feierlichkeit den heb-sed-Mantel mit der Roten Krone. Die Abbildung mit der Gegendarstellung mit der Weißen Krone ist nicht mehr vorhanden. 

Auf der Innenseite vom Durchgang des 2. Pylon haben sich bekannte Reisende wie F. Hetley, B. Hanbury, C. Waddington und Holroyd (1836) sowie Mugnaini (1820) und noch andere Persönlichkeiten, im Stein inschriftlich verewigt. 

Blick auf das Gelände der Tempelanlage.

Diese Papyrusbündelsäulen sind kennzeichnend für Bauten von Amenophis III..
Vom Typ her gleichen sie denen im Luxor-Tempel. Der Unterschied ist allerdings in ihren Proportionen. So besitzen die nubischen Säulen eine geringere Höhe und haben einen größeren Durchmesser. Diese monumentalen Palmkapitellsäulen können in Soleb in der königlichen Tempelarchitektur als eine Art neue Reform angesehen werden.
Im Alten Reich sind diese zwar in Ägypten in den Heiligtümern belegt, in der Folgezeit erscheinen sie aber nur selten, wenn dann vorwiegend in Haus- und Palastarchitektur. Erst unter Echnaton werden sie wieder häufiger benutzt, Amenophis III. machte den Anfang.

An den 24 Säulen im Hypostyl (Säulenhalle) befinden sich überwiegend an den Säulenbasen Abbildungen mit Gefangenen, die am Rumpf eine Kartusche mit den Fremdvölkernamen tragen. Die Anordnung entspricht im Wesentlichen den Himmelsrichtungen und der geografische Zugehörigkeit der Fremdvölker, so ist z.B. ist das nubische Volk südlich der zentralen Achse angebracht. R. Lepsius hat neun Serien (vier asiatische, fünf afrikanische Listen) mit ungefähr 60 Orts- bzw. Völkerbezeichnungen notiert.

Fundstücke verschiedener Fragmente
auf dem Gelände.

Im letzten Bauabschnitt säumten Widderstatuen gemeinsam mit Kolossallöwen und Falkenstatuen den Aufweg vom Tempel zum Nil. Es wird davon ausgegangen, daß ehemals mindestens zwei Granitlöwen, vier schwarze Granitfalken und zwölf Granitwidder auf den Relikten der Stallungen entlang des Dromos3 der früheren Stallungen gestanden haben. Die Granitfalken wurden wahrscheinlich nach allen vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Sie verkörperten wohl verschiedene Falkengottheiten, die eine Rolle im Erscheinungs- und Krönungsfest spielten.
Die Widderstatuen scheinen hier weniger die Verbindung zu Amun zu präsentieren, sie stehen wohl mehr mit dem Sedfest in Verbindung und scheinen Schutzgottheiten des Königs und dessen Verklärung darzustellen. Erstmals unter Amenophis III. sind in monumentaler Form Tierstatuen, wie Widderstatuen- und Sphingen in Soleb belegt.4

Vor Ort befinden sich heute nur noch Fragmente eines Falken und zwei zerbrochene Widder. Der Rest der Skulpturen wurden in späterer Zeit verschleppt in verschiedene andere Tempel im Sudan oder sind in verschiedenen Museen weltweit zu finden.  

   
   
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1 Sed-Fest (Heb-sed) = Jubiläumsfest
Das Sed-Fest war ein Jubiläumsfest des Königs, üblicherweise gefeiert nach 30-jähriger Herrschaftszeit.
Das Fest hat magischen Charakter, während dessen man dem alternden König seine Lebenskraft zurückgab. Nach Moret erneuert das Heb-sed zugunsten des Königs von Ägypten das Mysterium der Wiedergeburt, verleiht ihm periodisch ein erneuertes Leben.

Dieses Ritual der Erneuerung des Königs sollte eigentlich nur nach jeweils 30 Regierungsjahren begangen werden. Erhaltene Inschriften und Denkmäler deuten jedoch darauf hin, daß viele Könige, deren gesamte Regierungszeit wesentlich kürzer als 30 Jahre war, offensichtlich auch ihr Sedfest begingen. Diese Zeugnisse können aussagen: daß Könige ihr Sedfest auch vor Ablauf der eigentlich geforderten 30 Jahre feierten, oder daß sie die Darstellung des Rituals in Vorwegnahme des zu einem späteren Zeitpunkt stattfindenden Festes anordneten.
Möglich ist auch, daß einzelne Könige mit dieser Feierlichkeit ihre Macht in der Erneuerung ihres Amtes noch einmal göttlich bestätigen wollten, was verschiedene Gründe haben kann. So ist bekannt, daß Amenophis III. mehrere Sed-Feste (kurz hintereinander) begangen hatte.
 
2 Upuaut ist ein ägyptischer Kriegs- und Totengott. Sein Tier ist der Schakal bzw. Wolf. Im Unterschied zu anderen Totengöttern wird Upuaut stehend in der Gestalt seines Tieres dargestellt. Seine Attribute sind Keule und Bogen und deuten auf sein kriegerisches Wesen hin. Manchmal krönt auch der Uräus die Standarte des Upuaut, was ebenfalls zu seinem kämpferischen Wesen paßt.
Sein Name bedeutet: "Wegöffner". Upuaut öffnet die Wege als Kriegsgott, indem er siegreich voran schreitet. Die Standarte des Upuaut, auf welcher er als stehender Schakal zu sehen ist, führt den Feldzug gegen seine Feinde an. Begleitet wird er dabei von einem Rudel Schakale, die auch als Horusdiener bezeichnet werden und an seiner Standarte hoch klettern. Sie unterstützen Upuaut im Krieg. Oft haben die Kriegs- und Totengötter eine eigene Standarte, so daß der Feldzug von mehreren Schakal-Standarten begleitet werden kann. Auch bei Festzügen und Prozessionen begleiten die Standarten den König. So schreitet Upuaut dem ägyptischen König voran. Er eröffnet den Zug als "Leiter der Götter". Auch dem Osiris geht Upuaut voraus, damit eröffnet er Feste.
 
3 Im Bezug auf altägyptischer Architektur wird mit dem Begriff "Dromos" die oft von Sphingen oder ruhenden Löwen gesäumte Allee bezeichnet, die als verlängerte Tempelachse entweder zu einem anderen Bauwerk oder zu einer Hafenanlage am Nil führt.
 
4 Mit dieser Aussage beruft sich Julia Budga auf Müller 1988, IV-3.